Gewalt kann auch durch eine ganz spezielle Art der Wertvorstellungen geprägt sein. Die Bedürfnisse und Wünsche des Einzelnen werden den Wertvorstellungen oder kulturellen Traditionen untergeordnet und autoritär durchgesetzt. Seelische und körperliche Gewalt bis hin zum Suizid/Mord werden zur Durchsetzung der Autorität geduldet, wenn es einem höheren Ziel dient (z. B. in Religionen).
Ein Beispiel dafür sind die sogenannten „Ehrkulturen“. Die Ehre wird mit der körperlichen Unversehrtheit des Jungfernhäutchens und damit der charakterlichen Reinheit des Mädchens gleichgesetzt. Dabei wird es als Aufgabe des Familienoberhauptes sowie der männlichen Familienmitglieder gesehen, diese zu bewahren. Aus sogenannten traditionellen oder religiösen Gründen werden Gewaltformen wie Zwangsheirat, Beschneidung oder Genitalverstümmelung gerechtfertigt.
Gewalt in diesem Kontext kann sich auch dadurch zeigen, dass Kindern und Jugendlichen der Umgang mit Gleichaltrigen aus einer anderen Kultur komplett untersagt oder weitestgehend verboten wird bzw. Jugendliche nicht ihrem Alter entsprechend eigene Entscheidungen treffen und eigene Wege gehen dürfen.
Straftatbestand: Nötigung zur Eheschließung (§ 106 Abs. 1 Z 3 StGB) + Körperverletzung und Genitalverstümmelung
Die Auswirkungen von Gewalt an Kindern und Jugendlichen sind vielschichtig und können Traumatisierungen und Schädigungen nach sich ziehen. Hierbei spielen beispielsweise das Alter des Kindes, das Ausmaß der Misshandlung sowie deren Dauer und Häufigkeit eine Rolle.
Schwere Formen der körperlichen und auch seelischen Gewalt an Kindern können zu unmittelbaren Verletzungen, lebenslangen Beeinträchtigungen, einer verkürzten Lebensdauer oder unmittelbarem Tod führen. Gewalt an Kindern und Jugendlichen kann Auswirkungen auf die Entwicklung ihres Gehirnes, auf ihr Immunsystem und ihr Hormonsystem haben. Die Wahrscheinlichkeit, eine psychische Erkrankung zu entwickeln oder drogenabhängig zu werden, steigt. Je jünger ein Kind ist, desto deutlicher und schneller sind die Folgen von Gewalt erkennbar.
Signale erkennen:
- Schlafstörungen, Albträume, diffuse unerklärliche Ängste
- Sozialer Rückzug, Angst vor Fremden, keine gleichaltrigen FreundInnen
- Vermehrt aggressive Verhaltensweisen
- Zwänge wie z. B. Waschzwang oder Ordnungszwang
- Vernachlässigung des Äußeren, das Kind wirkt ungepflegt und schlampig
- Depression
- Essstörung
- Gestörtes Selbstkonzept
- Selbstverletzendes Verhalten
- Delinquentes Verhalten
- Suchtverhalten
- Psychosomatische Krankheiten
- Schulprobleme
- Wiederholen von sexuellen Situationen mit Puppen, in Zeichnungen, mit FreundInnen
- Imitieren des Sexualverhaltens von Erwachsenen; neue ungewöhnliche Namen für Genitalien
- Sexualisierte Sprache, u.a.m.